Sie kommt jede Nacht kurz vor 4. Ich würde sie nicht hören, wenn sie nicht jedesmal patschert etwas hinunterwerfen würde: Eine leere Plastikflasche, die Sonnencreme oder bei ihrem ersten Besuch ein geöffnetes Säckchen mit einer Snack-Spezialität aus Banda Aceh. Kleine, Curcuma-gelbe Würfelchen, die vom Geschmack her an Grammeln mit Curry erinnern. Gut, aber nur in kleineren Dosen verträglich, deshalb steht das Sackerl ganz oben in einem kleinen Eckregal meiner Hütte.
Das Meer beim Einschlafen und Aufwachen zu hören, war eines jener Dinge, die ich nach der Rückkehr von meiner letzten Reise am schmerzlichsten vermisst habe. Jetzt schlafe ich endlich wieder am, beziehungsweise genauer gesagt über dem Meer. Unter den Holzplanken macht sich das Wasser zwischen friedlichem Geplätscher auch immer wieder lautstark bemerkbar. Ich schlafe sehr gut hier, auch trotz immer wieder aufkommender Windböen, die an der Holzhütte rütteln, durch die Ritzen pfeifen und kleine Äste aufs Blechdach prasseln lassen.
Meine Türe ist von innen nicht zuverlässig verschließbar, hält dem Wind aber dank weiblicher Ingenieurskunst stand, indem ich nachts meinen großen Rucksack dagegen lehne. Funktioniert super.
Die nächtlichen Aktivitäten der Elemente rund um meine Schlafstatt lassen es im Halbschlaf somit auch nicht unrealistisch erscheinen, dass mal ein Sackerl mit Snacks vom obersten Regal hinunterfällt. Doch das Rascheln danach?! Stirnlampe zu mir, ON, und zack – da ist sie. Sie zischt an der Wand entlang, macht mittig hinter meinen Sandalen kurz Halt und huscht dann weiter ins Eck, wo sie durch ein Loch im Boden abtaucht. Eine größere Maus. Bestimmt. Ich habe ja sicher keine Ratte unter der Hütte. Und nett sah sie mit ihren Knopfaugen ja eigentlich auch aus.
Wir spielen das noch zweimal und dann beschließe ich, ihr das Sackerl als kleine Aufmerksamkeit vor die Türe zu stellen. Enjoy! Aber Madame hat es eigentlich auf die kleine Rolle trockener Kekse abgesehen wie sich in der nächsten Nacht herausstellt. Und dann gibt’s da noch dieses verführerisch verknotete Säckchen mit Kokosnusscreme-Schnitten, das – in Ermangelung besserer Aufbewahrungsmöglichkeiten – vermeintlich ameisensicher auf einer Leine zwischen Bett und Wand hängt. Da schaukelte sie dann verdattert im Lichtkegel in der dritten Nacht.
Ich habe mich fürs Low budget Reisen entschieden. Und obwohl ich viel darüber nachgedacht hatte, ist es letzten Endes nicht so einfach gewesen, meine Habseligkeiten in Wien für längere Zeit wegzupacken. Immer wieder habe ich überlegt, was ich an meinem Daheim vermissen werde. Und ob ich unterwegs Plätze finden werde, an denen ich mich ein wenig “zuhause” fühle. Es ich finde es spannend zu beobachten, was es dafür braucht.
Meine Holzhütte hat etwa 15 Quadratmeter, und ist mit einem großen Bett und besagtem Eckregal zweckmäßig möbliert, that’s it. Angeschlossen ein topmodernes Badezimmer, mit Western Toilet, allerdings Handspülung aus der Wassertonne daneben. Eine Dusche gibt es, ebenso ein kleines Waschbecken. An Orten, wo man aus Gesundheitsgründen besser nicht unter der Dusche singt, gewöhnt man sich auch sehr schnell wieder ans Zähneputzen mit Wasser aus der Plastikflasche. Eher ungewohnt ist hingegen die Präsenz von Krebsen, die ihr hübsch gedrehtes, 7 cm hohes Turmgehäuse wie einen Turban durchs Badezimmer tragen. Hier gilt vor allem Obacht im Dunklen!
Manches an der Szenerie ähnelt durchaus einer österreichischen Almhütte. Der Holzboden hat schon einiges gesehen, aus Holzstehern und Tramen stehen jede Menge 100er Nägel hervor, die gute Dienste leisten. Es gibt Elektrizität und Licht. Wie die Fake Ray Ban Sonnenbrille mittig unters Leintuch kam, ist fraglich, aber deswegen zieht man sich auch nicht mitten in der Nacht nochmals an und weckt irgendwen. Das Moskitonetz ist brandneu und macht das große Bett zu einer wirklich komfortablen Höhle.
Das Vorhang-Schloss an der Eingangstür ist island-style, sprich eher symbolischer Natur und mit einem kleinen Rack! zu öffnen, was den großen Vorteil hat, dass ich keinen Schlüssel mitnehmen muss, wenn ich weggehe und die Jungs keinen Schlüssel brauchen, wenn sie Wasser zum Gießen aus meinem Bad holen.
Das wirklich Unbezahlbare jedoch ist die Lage und Aussicht meiner kleinen Blockhütte. Sie steht vorne auf Stelzen direkt über dem Meer und die Holzterrasse mit Hängematte ist Idylle pur. Ich sehe hinaus auf den schmalen Kanal zwischen unserem Ort Iboih und der kleinen Insel Rubiah. Ein kleiner Steg führt ins unpackbar türkise Wasser – das sich mal ganz friedlich gibt und dann wieder mit äußerst tückischer Strömung aufwartet. Tidenhub fast 2 Meter, das kann schon was.
Eines Morgens als die aufgehende Sonne reinblinzelt wird mir bewusst, dass ich nun wirklich wieder in der richtigen Zeitzone angekommen bin.
Es ist beschaulich und ich empfinde es als enormen Luxus, wenn das Wetter bei der Tagesplanung mitreden darf.
Sonne? Schnorchen, tauchen, schwimmen, Wäsche waschen und schnell trocknen lassen, im Schatten lesen, nachdenken, in den kleinen Ort gehen und dort einen Sanger* trinken und plaudern gehen (* kurzer, starker Kaffee aus Arabica Bohnen aus Aceh mit einer crema, die es mit jeder italienischen Bar aufnimmt, geschichtet über ein wenig Kondensmilch). Absolutes Highlight ist wie immer und überall eine Ganztagesbootstour zu den lässigsten Schnorchelplätzen.
Regen, gemischtes Wetter? Lesen, Wäsche waschen und langsam trocknen lassen, ein Moped ausleihen, über die Insel fahren. Seit kurzem bin ich übrigens ein absoluter Fan der App maps.me: äußerst genaue offline-Karten, die mir hier bis dato zuverlässiger als alles andere jeden Weg angezeigt haben. So auch den zum etwas versteckt im Dschungel liegenden Wasserfall Pria Laot, wo ich zwei Jungs aus Deutschland traf, die mir erzählten, dass sie hauptsächlich dorthin gefahren wären, um sich mal wieder mit Süßwasser zu waschen. Sie schlafen am Strand auf der gegenüberliegenden Insel. Respekt, lower budget geht immer noch.
Heimkommen nach einem langen Tag, ich freue mich auf meine Hütte, darauf, vor dem Duschen noch kurz ins Wasser zu springen und barfuß zu gehen. Sehr schnell geht das, wird so eine Hütte auch ein Zuhause.
Das Meer? Phantastisches Türkis bis Nachtblau. Korallen an den meisten Plätze leider zerstört, vom Tsunami, aber sicher auch von höheren Meerestemperaturen und wahrscheinlich auch nicht nachhaltiger Fischerei (if you know what I mean). Unglaublich jedoch sind die Dichte und der Artenreichtum an Fischen, das habe ich in dieser Form noch kaum woanders gesehen.
Der kleine Ort Iboih besteht im Wesentlichen aus ein paar Häusern, einer Bootsanlegestelle, einem singenden Baum, der den Muezzin ersetzt, 3 Dive Centers, ein paar kleinen Geschäften sowie ein paar verstreuten Cafés und Restaurants. Zu den Hütten im Wald und am Wasser führt ein Weg, den man betrunken im Dunkeln besser nicht gehen sollte, treppauf und treppab. Überall laufen Hühner mit ihrer Kükenschar herum, dazwischen eine Bande von Katzen und Katern, die man bald alle kennt. Ziegen. Ah ja, und eine Familie grauer Affen. Der Chief hat mir heute Vormittag bereits einen kurzen Besuch abgestattet, hat es dann aber vorgezogen, den Mistkübel während meiner Abwesenheit um besagte Kekse und Curry-Grammeln zu erleichtern. What a mess!
Eine Woche bietet auch genug Gelegenheit, Tipps und Erfahrungen mit anderen Reisenden auszutauschen (im Moment frage ich vor allem!), und man kennt auch schon ein paar Locals, an denen man immer wieder vorbeiläuft. „Hi Tina, I haven’t seen you yesterday. How are you?“ Und beim Plaudern hörst Du dann auch irgendwann, wem was gehört, wer mit wem wie familiär und anderweitig verbandelt ist, ein paar lustige Geschichten, Klatsch und Tratsch, der für den Zusammenhalt einer Community auch so essentiell ist. Keine Details hier, nur soviel: es ist eh wie überall sonst auch.
Eka, die Besitzerin unserer Anlage hat einige Jahre in Europa und Hongkong gelebt. Jetzt ist wieder hier, weil sie sagt, dass es für sie keinen besseren Platz zum Leben gibt. Für mich ein erstes temporäres Zuhause.
Mein Fazit? Das Leben in einer Blockhütte am Meer ist für eine Zeitlang tatsächlich so schön wie man sich’s vorstellt.
Was braucht es, um sich an einem Platz ein wenig zuhause zu fühlen? (und diese Frage werde ich mir sicher immer wieder stellen) – Es braucht ein paar Tage, es braucht ein Fortgehen und wieder Heimkommen. Es braucht Menschen, die sich beim Namen nennen und einander Geschichten erzählen. Die omnipräsenten Tiere machen es immer wieder lustig, das Meer und der Wind machen es zu einem ganz speziellen Ort.
In 2 Tagen ziehe ich weiter nach Süden in Richtung Dschungel. Für jetzt einmal jedoch kurz in den Ort, um neue Kekse zu besorgen.
Helga
29 Sep 2018unglaublich, es zieht mich hinaus in diese herrliche Welt und in deine Geschichten
Dagmar
24 Aug 2018Grammelige Snacks, die nach Curry schmecken hätten mich defintiv auch angelockt!
Carola Engler
20 Aug 2018in Indien würden’s sagen: “no problem, Madam, the mouse is shy” …