Ich gestehe es gleich: Ich war schon mal hier.
Es muss 1988 gewesen sein, eventuell auch ein Jahr später. Also vor etwa 3 Jahrzehnten. Wir waren zu viert 7 Wochen lang mit Rucksack in Indonesien unterwegs und hatten unsere Tour damals ebenfalls in Singapur gestartet.
Ich dachte, ich sag es lieber gleich und wir machen es in einem Aufwasch, bevor history ungefragt hinter jedem Satz hervorzwinkert.
Singapur hat sich natürlich stark verändert: viele ursprüngliche Gebiete wie Little India oder China Town wurden modernisiert, neue Stadtviertel sind dazugekommen, am auffälligsten natürlich die eindrucksvolle Marina Bay Area und das daran anschließende Finanzviertel.
In nur einer Generation hat sich Singapur von einem middle income country zu einem der reichsten Länder der Welt entwickelt. Auf der 720 Quadratkilometer großen Insel leben heute etwas über 5,5 Millionen Menschen, fast doppelt so viele wie bei meinem ersten Besuch. Dazu kommen nochmals 11 Millionen Touristen pro Jahr. Die Lebenshaltungskosten gehören zu den höchsten weltweit. Als neue Maßeinheit werde ich übrigens nun den Gin Tonic Index einführen: für einen davon habe ich heute schlanke 22 Singapur Dollar hingeblättert, umgerechnet etwa 14 Euro.
Wenn man nach 30 Jahren erstmals wieder in eine Stadt wie Singapur kommt, dann zieht man natürlich den einen oder anderen Vergleich, aber ehrlich gesagt, kann ich mich vor allem an Details erinnern.
Dass wir z.B. mit Sabena (für die jüngeren: das war die belgische Fluglinie) geflogen sind, und ganz hinten im Raucherabteil (!) saßen. Nicht weil wir das so wollten, sondern weil für uns Rookies keine anderen Plätze mehr frei waren. Die flugerfahrenen Raucher saßen nämlich alle vorne im Nichtraucherbereich und kamen nur zum Rauchen nach hinten. Von den Stewardessen (heute: Kabinenpersonal) wurden auf kleinen Tabletts während des Fluges Zigarettenproben herumgereicht. Unvorstellbar. Glaubt Dir heute keiner.
Wir kamen damals um 3 Uhr Früh in Singapur an, stanken unbeschreiblich und hatten Augen wie Karnickel. Dann schliefen wir noch 2 Stunden in einem Eck am Flughafen bis der erste Bus in die Stadt fuhr.
Singapur war damals schon eine höchst disziplinierte und ordentliche Stadt. Kaugummikauen war in den späten 80ern bereits verboten, aber dieses wichtige Detail fiel mir erst vor 3 Tagen erst wieder ein, als auf der Immigration Card darauf hingewiesen wurde, dass die Einfuhr von Kaugummi verboten sei! Mein kleiner persönlicher Airwaves-Vorrat ist nun quasi undercover hier.
Die NO DURIANS Verbotsschilder hängen weiterhin bei jedem MRT (U-Bahn) Abgang, wobei jedoch keine Strafhöhe für den Verstoß angegeben ist. Angeblich, weil man sonst in gewissen Linien die Hälfte aller Businsassen abstrafen müsste, die ihre heftige Gerüche verströmenden Schätze glücklich nach Hause transportieren. Ich erinnere mich, diese sonderbaren Früchte erstmals auf einem Night Market in der Größe eines Fußballfeldes gesehen zu haben, auf dem ausschließlich Durians gehandelt wurden – ein Sinneserlebnis der besonderen Art, das sich mir leider bis heute noch nicht erschlossen hat.
Die wahren Tempel Singapurs sind nach wie vor die schicken Einkaufszentren. Mehr als in den bunten hinduistischen Tempeln war dort auch schon vor 30 Jahren ausnahmslos dezentes Benehmen angesagt. „Sir, your leg, please“ war die höfliche, aber unmissverständliche Aufforderung an meinen Freund, der anno dazumal seinen Fuß für ein paar Sekunden zum Ausrasten auf eine Balustrade gestellt hatte. Sowas merkt man sich. Ein Leben lang. Habe ich nachher nie wieder bei ihm gesehen. An den Tiefkühl-Temperaturen in den Shopping Malls hat sich auch nur wenig geändert.
Berühmt berüchtigt waren auch die wilden Ansammlungen zahlloser Street Food Stände überall in der Stadt. Wir klebten schwitzend auf provisorisch zusammengestellten Plastiksesseln, probierten uns durch köstliches Essen – von relativ bis irrsinnig scharf – und fühlten uns dabei wohl ebenso mutig wie authentisch. Diese Hawker Markets gibt es zu meiner großen Freude noch immer. Sie sind vor allem in die Untergeschosse von Einkaufszentren gezähmt worden, die Hygienestandards sind jedoch definitiv etwas weniger abenteuerlich. Geheimtipp für lebendige Atmosphäre, und immer noch ausgezeichnetes und günstiges Essen!
So, vielen Dank fürs Lesen bis hierher! Damit ist die Zeitreise einmal erledigt und ich verspreche, für die nächsten Wochen vor allem aus der Jetztzeit zu berichten. (mit einer geplanten Ausnahme, aber dazu später)
Das Foto entstand übrigens im botanischen Garten und ich frage mich bis heute, wo ich eigentlich dieses Kleid im Rucksack verstaut hatte? Eines war jedenfalls klar: Man ging einfach nicht ungeschminkt in den späten 80ern, auch nicht als Backpackerin, selbst wenn das etwas mehr Gepäck bedeutete! Jedenfalls kein Vergleich mit den etwa 2 kg elektronischen Gadgets, Ladekabeln und Akkus, die sich stattdessen heute gewichts- und volumenmäßig ordentlich reinhängen. Ob das nun tatsächlich eine Verbesserung ist, darüber lässt sich nachdenken. Am besten bei einem Gin Tonic.
Dolva
12 Aug 2018What is with you? 😊 Dolva umarmt Dich 😘
Tina
20 Aug 2018Haha, ich umarme Dich zurück!!
Philipp
10 Aug 2018Kleines Plädoyer für kleine Zeitreisen: die erlebten Schätze vermehren sich ja beim Älterwerden (1:0 gegen das unbedingt jung sein wollen). Und während das Leben passiert, und wir jeden Tag auf’s Neue mutig sein dürfen, sammeln wir Neues ein und lassen uns erinnerndes Schmunzeln entlocken. I like it!
Annette
8 Aug 2018Cooles Foto, und ja, die Ohrringe sind sehr lässig 🙂
Carola Engler
6 Aug 2018… vielmehr faszinieren mich Deine Ohrringe … auch Platz-Fresser … aber ohne – damals ein “no go” 😉 big hug!
Dagmar Harbich
6 Aug 2018Warum genau kenn ich dieses verruchte Foto von Dir nicht?! 😉
Sensationell!!!
Andrea Farthofer
5 Aug 2018Gin Tonic? Wäre ein Singapore Sling im Raffles nicht die einschlägigere Wahl? Falls ja, bitte mindestens einen auf mich! Das ist nämlich eine meiner Lieblingserinnerungen an Singapur, gleich hinter dem Tapir im Nachtzoo. Enjoy!